Wenn Steine sehen, hören, fühlen, sprechen könnten – was hätten sie alles zu berichten: von traurigen, schrecklichen oder fröhlichen Begebenheiten, die sich abgespielt haben. Besonders würde mich interessieren, was ein ganz spezieller Stein zu erzählen hätte. Es handelt sich wohl um den berühmtesten Stein der Weltgeschichte. Wenn man diesem Stein nun Worte entlocken könnte, dann klängen sie vielleicht so:
So leicht bringt mich nichts von der Stelle. Ich bin groß, rund und sehr schwer. Meine Aufgabe ist es, eine Höhle zu verschließen. Ich versperre mit meiner ganzen Schwere den Eingang, damit ein verstorbener Mensch hinter mir seine ewige Ruhe finden kann. Ich bin: groß, rund, schwer.
Ich hatte bereits längere Zeit auf meinen Einsatz gewartet. Die Grabeshöhle war seit Jahren ungenutzt. Doch dann, gestern – es war Freitag – war es so weit. Es war bereits Abend, als sich ein Trauerzug auf mich zubewegte.
Ein junger Mann namens Jesus wurde zu Grabe getragen. Seine Mutter war dabei. Sie konnte ihn kaum loslassen, streichelte immer wieder sein Haar und gab ihrem Sohn noch einen letzten Kuss auf die Wange. Einer der Männer, Johannes hieß er, zog sie schließlich sanft von ihrem Sohn weg. Zu schrecklich war, was sie hatten miterleben müssen. Wie ich ihren Worten und den Geschichten entnahm, die sie unter Tränen vor sich hin stammelten, war Jesus am Kreuz gestorben und mit ihm alle ihre Hoffnungen und Träume. Sie hatten seinen Worten geglaubt, sie hatten ersehnt, dass er die Welt verändern würde und Gerechtigkeit und Frieden möglich ist. Und nun war er tot.
Die Männer rollten mich unter großer Anstrengung vor das Grab. Dann gingen alle traurig davon. Ich hörte noch die Frauen überlegen, wer ihnen wohl in zwei Tagen den schweren Stein wegrollen könnte, denn sie wollten kommen, um noch einmal den verstorbenen Freund zu sehen und ihn mit kostbarem Öl zu salben. So begann ich also meinen Dienst.
Aber nun wird bald die Sonne aufgehen und die Frauen werden kommen. Wer weiß, wer ihnen helfen wird, mich wegzurollen? Dabei fühle ich mich plötzlich gar nicht mehr so schwer. Mir ist leicht. Am liebsten würde ich meinen Dienst beenden und von selbst wegrollen, um den Blick in das Grab freizugeben. Denn ich spüre, dass sich etwas verändert hat. Direkt hinter mir, in der verschlossenen Verborgenheit einer Höhle ist etwas geschehen, das die Welt verändern wird. Bald werden es alle erfahren.
Wir beten:
Gütiger Gott, manchmal haben wir Kummer und es ist finster in uns.
Wir bitten dich: Schenke uns dann Trost und die Hoffnung darauf,
dass wieder hell und gut werden kann, was jetzt dunkel und schwer ist.
Denn ich bleibe ich stets an dir;
denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,
du leitest mich nach deinem Rat
und nimmst mich am Ende mit Ehren an.
Wenn ich nur dich habe,
so frage ich nichts nach Himmel und Erde.
Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet,
so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.
Wochenspruch: Der Menschensohn muss erhöht werden, auf das alle,
die an ihn glauben, das ewige Leben haben. Johannes 3,14b.15
Wochenpsalm: Psalm 69 – EG 731
Wochenlied: EG 91 – Herr, stärke mich
Download: ANgeDACHT 2022-15
Zu Beginn der Woche grüßt Sie herzlich
Diakon Olaf Eggert
Fliedners Lafim-Diakonie