Jesaja 42,3

So sagt es Gott mit dem Wochenspruch über seinen Knecht im zweiten Buch Jesaja. Das tröstende Bild der Barmherzigkeit Gottes, die sich in Jesus Christus gezeigt hat, kann Menschen trösten, die sich geknickt und nur noch eben glimmend fühlen.

Dazu diese Geschichte: Christine blickt aus dem Fenster. Viel ist ihr nicht geblieben. Zu mehr als dem Blick reicht die Kraft nicht. Die Krankheit hat sie fest im Griff, es wird auch nicht mehr besser werden. Sie spürt, wie ihre Lebenskraft weniger wird. Es ist eine Frage der Zeit, bis sie verlischt.
Vor dem Fenster zeigt sich der Spätsommer in seinen schönsten Farben. Das Grün der Grashalme leuchtet vor dem blauen Himmel in einer fast unerträglichen Intensität. Die Herbstastern fangen an zu blühen mit ihren schönen warmen Farben. Die ersten Äpfel sind reif. Sie liebt diese Jahreszeit, das Blühen und Reifen, bevor alles Ruhe findet.
Draußen spielt ein Kind. Ein kleines Mädchen, das öfter vor Christines Fenster ist. Die Kleine sammelt Gänseblümchen und fasst sie zu einem Strauß zusammen. Schön sieht das aus. Durchs Fenster winkt sie. Als das Mädchen kurz aufblickt, winkt es zurück – wie eine vertraute Freundin. Mit einigem Kraftaufwand öffnet Christine das Fenster. „Schenk ich dir“, sagt die Kleine und streckt ihr die Blumen entgegen. Rührung überflutet sie. Ein kleines Zeichen der Lebendigkeit. Behutsam nimmt sie dem Mädchen den Strauß ab. Sie kann es nicht verhindern, dass einer der Blumenstängel abknickt. Vorsichtig streicht sie ihn glatt und stellt das Sträußchen in ein kleines Glas. „Danke“, sagt sie – aber das Mädchen ist schon weg.
Noch einmal blickt Christine aus dem Fenster. Gestern war Sonntag, und sie hat einen Gottesdienst hier im Seniorenzentrum besucht. Der Pfarrer hat einen Satz gesagt, der sie wie ein Blitz getroffen hat. Von einem geknickten Rohr und einem glimmenden Docht! Wie ein glimmender Docht, so fühlt sie sich. Jeden Tag mehr auf dem Weg zum Verlöschen. Oder wie ein zerdrückter, geknickter Halm, der kurz vorm Zerbrechen steht.

Sie versucht sich zu erinnern. Da ist einer, der behutsam die Flamme hegt und mit seinen Händen schützt. Der vorsichtig den Halm nimmt in seiner ganzen Zerbrechlichkeit und ihn geraderichtet. Es wird nicht mehr gut werden mit ihr. Das weiß sie. Aber der Eine bleibt – mit seinen behutsamen Händen und seinem vorsichtigen Blick.
Sie findet Ruhe und einen inneren Frieden. Einer, der sich mit geknickten Rohren und glimmenden Dochten auskennt, wird auch mich hegen und pflegen. Sie schließt die Augen. Vor ihr steht nur ein Wort. Gottes Liebe.


Wir beten:

Gott der Liebe, wir vertrauen uns Dir an mit unserer Zerbrechlichkeit,
unserem Gefühl, kurz vor dem Verlöschen zu stehen.
Wir kommen zu Dir mit der abnehmenden Kraft
und der schwindenden Zeit.
Sei und bleibe bei uns. Nimm uns in Deine bergenden Hände.

 

Wochenspruch:     Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. Jesaja 42,3a

Wochenpsalm:       Psalm 49

Wochenlied:            EG 289 – Nun lob, mein Seel, den Herren

Download:               ANgeDACHT 2022-36

 

Zu Beginn der Woche grüßt Sie herzlich

Diakon Olaf Eggert
Fliedners Lafim-Diakonie