In diesem Sommer fanden in Berlin die „Special Olympic Games“ statt, die Olympischen Spiele für geistig Behinderte oder auch mehrfach Beeinträchtigte. In einem Endlauf ziehen die Schwimmerinnen ihre Bahnen. Ihre Begleiterinnen oder Begleiter stehen am Beckenrand und achten auf alles Nötige – dazu feuern sie ihre jeweilige Sportlerin an. Eine junge Frau liegt deutlich vorne und hat nur noch eine Wende und eine letzte Bahn vor sich. Während sie schon wendet und dann auf das Ziel zu schwimmt, merkt sie, dass eine andere Schwimmerin am Ende ihrer Bahn Schluss macht. Und wie sie das merkt, fällt ihr ein, was wohl der Grund dafür sein könnte. Die andere Schwimmerin denkt, sie sei schon fertig, habe ihr Ziel erreicht – dabei müsste auch sie noch eine letzte Bahn schwimmen. Und was macht die Schwimmerin, die schon deutlich vorne liegt? Sie wendet auf ihrer letzten Bahn, lässt ihr Ziel aus den Augen, schwimmt kurz zurück und sagt der anderen Schwimmerin, dass sie noch eine ganze Bahn schwimmen muss – wie sie selber. Dann schwimmen beide ihre letzte Bahn unter riesigem Jubel der Zuschauenden. Die überaus faire Schwimmerin erhält die Goldmedaille und einen Sonderapplaus.
Kann man sich so etwas bei den Olympischen Spielen vorstellen? Eher nicht. Umso deutlicher muss dieses Wunder an Fairness betont werden. Die Schwimmerin lässt ihren eigenen Wunsch auf Sieg kurz hinter sich. Beide schwimmen gemeinsam ihre letzte Bahn. Vermutlich wissen beide, was es bedeutet, sich immer hinten zu fühlen im alltäglichen Sport. Die eine überlegt dann blitzschnell, dass sie der anderen beistehen will. Es soll bei den speziellen olympischen Spielen eben nicht so sein, wie es immer ist. Diesen Geist wünscht man sich häufiger in der Welt. Nicht immer nur den Geist des „Ich“, des „Schnell nach vorne Kommen“, des „Die anderen hinter sich lassen“, sondern den Geist des Miteinanders und des Aufeinander achtens. Immer mehr Wettbewerbe sollten möglichst nicht nur von einem Geist der Kraft entschieden werden, sondern auch vom Geist der Fürsorge (nach Sacharja 4,6b). Vermutlich ginge es dann der Welt besser. Sie zerfiele nicht in Könner und Nichtkönner.
Die Welt braucht mehr Fairness. Fairness ist das Achten auf die, die nicht mehr gut oder gar nicht mehr mitkommen. Wenn der Eindruck nicht trügt, werden das immer mehr Menschen; schon im Kindergarten und dann bald auch in der Schule. Richten wir unsere Blicke im Alltag und in unserer gemeinsamen diakonischen Arbeit auf die Menschen, die uns anvertraut und um uns sind und fragen uns immer Mal wieder: Kommen sie noch mit? Drehen wir uns einfach kurz um und stehen ihnen bei.
Wir beten: Gott, du weißt: im täglichen Leben fühlen wir uns oft wie in einem Kampf.
Oft fürchten wir, nicht mehr mitzukommen.
Anderen geht es ähnlich wie uns.
Aber wir erinnern uns auch dankbar und gerne an schöne Stunden,
in denen uns jemand beigestanden, mitgenommen und aufgerichtet hat.
So sind wir jetzt vor dir, Gott, dankbar und voller Hoffnung, beides zu erfahren.
Schenke uns Menschen, die auf uns achten; und lass uns Menschen sein, die auf andere achten. Amen.
Wochenspruch: Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. 1. Petrus 5,5b
Wochenpsalm: Psalm 78,32-55
Wochenlied: EG 299 – Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Mein Vorschlag: EG 171 – Bewahre uns, Gott
Download: ANgeDACHT 2023-34
Zu Beginn der Woche grüßt Sie herzlich
Diakon Olaf Eggert
Fliedners Lafim-Diakonie