Haben wir früher mit der Familie einen Urlaub unternommen, war die Besichtigung kulturell und historisch bedeutsamer Kirchenbauten obligatorisch. Als Kind hätte ich auf jeden Fall den Besuch einer Eisdiele vorgezogen. Den kulturellen Wert wusste ich wenig zu schätzen, von den meist dunklen, kalten Kirchenräumen fühlte ich mich eher eingeschüchtert und bedroht als beeindruckt. Einmal aber trat ich bei einer jener Kirchenbesichtigungen mehr aus Langeweile denn aus Neugier neben meine Mutter, die still vor einem Kerzenbaum stehengeblieben war. Wir blickten auf die tanzenden Flammen der kleinen Teelichter, die je für einen guten Gedanken, eine Bitte für einen Mitmenschen brannten.
„Möchtest du auch eine Kerze anzünden?“, flüsterte meine Mutter mir zu und alles um mich herum begann sich zu verändern. Ich empfand die Stille um mich herum nicht mehr als bedrückend, sondern als beschützend, als Quelle der Erholung vom touristischen Lärm außerhalb der Kirche, fühlte mich verbunden mit meiner Umgebung, mit Menschen, die vor mir Kerzen entzündet hatten und mit Menschen, an die ich nun
zu denken anfing. Ich entschied mich, den freien Wunsch – so fühlte es sich an – für meine Oma einzusetzen, die nach dem plötzlichen Tod meines Opas allein zurückgeblieben war. Als ich ein neues Teelicht nahm und an einer bereits brennenden Kerze entfachte, war ich mir sicher, sie müsse auch etwas von dem Licht und der Wärme spüren, die sich in mir ausbreitete. Das Entzünden von Fürbittenkerzen, das Innehalten im Sightseeing-Plan, das Sich-Zeit-Nehmen, um an andere zu denken, das Verbindung-Herstellen zu Menschen in der Ferne wurde zum geliebten Ritual auch bei folgenden Kirchenbesichtigungen.
Und als ich mich später aus dem Schutz der gründlich geplanten Familienreisen herausbegab, um mich dem Leben mit seinen Herausforderungen allein zu stellen, erreichten mich ab und zu, aber immer zum richtigen Zeitpunkt, Postkarten aus dem Elternurlaub mit der Aufschrift: „Wir haben eine Kerze für dich angezündet.“
Mit dem aktuellen Monatsspruch erinnert der Schreiber des Epheserbriefs daran, sich der Praxis der Fürbitte – des Aneinanderdenkens und Füreinanderbetens – zu besinnen. Seien auch Sie eingeladen, diese Erinnerung als Anregung in den kommenden Monat mitzunehmen und sich zu besinnen: Wer könnte einen guten Gedanken, ein Gebet von Ihnen vielleicht gerade besonders gebrauchen?
Ihre Vikarin Myriam Lütkepohl