Wir Christ:innen feiern Karfreitag und Ostern in diesem Monat. Für uns Protestanten gilt der Karfreitag als der höchste Feiertag. Im Lukasevangelium sagt Jesus ganz besondere Sätze am Kreuz, die erklären, warum der Tag so wichtig für uns ist.
Gehen wir in Gedanken aber zunächst mit dorthin, ans Kreuz. Der Evangelist lässt uns mit seiner Darstellung des Sterbens Jesu erschaudern, gerade in dieser erschreckenden Zeit. Er beschreibt es als kosmisches Ereignis: „es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde und die Sonne verlor ihren Schein und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei“. Dunkelheit, mitten am Tag und symbolisiert durch den Riss im Vorhang verlässt Gott die Welt.
Menschen erleben die Dunkelheit und den Schrecken des Todes in belagerten und zerstörten Städten in der Ukraine auch in diesem Jahr mit Blick auf den Karfreitag. Der Verlust von Vertrauen in das Leben, das Gefühl, dass Gott die Welt verlassen haben muss, werden sie schmerzlich nachvollziehen können.
Am Karfreitag stellen wir uns der Wahrheit, dass wir an vielen Orten in der Welt diese grenzenlose Dunkelheit, diese Gottverlassenheit durch die Gewalt von Menschen gegen Menschen selbst hervorrufen. Wie Gott verlassen müssen Menschen sein, die nur noch in verzweifelter Gewalt gegen alles, ohne Rücksicht auf Verluste denken und handeln können. Das Karfreitagsgeschehen kommt uns in diesem Jahr besonders nahe und geht uns an, stellt in Frage, ruft nach Antworten.
Jesus spricht in dieser Situation drei Sätze, die uns eine Zumutung sind, gerade in dieser Dunkelheit.
Der eine Satz heißt: „Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht was sie tun.“
Er betet um Vergebung für die, die ihm Gewalt antun. Wir mögen dagegen anschreien und erbittert Fragen, ob solche Gewalt, wie sie in der Ukraine passiert wirklich zu vergeben sein sollte, kann man das jemals? Und doch, Jesus würde beharren und wiederholen, „Vater vergib ihnen, sie wissen nicht was sie tun“. Eine grandiose Zumutung ist das – aber der einzige Weg zum Frieden. Nur Vergebung hilft. Wir werden als Menschen dazu nicht in der Lage sein. Wir brauchen Gott und seine Vergebung, die weitersieht, als unser Blick in der Dunkelheit geht. Er allein kann vergeben, aber auch unsere Perspektive wandelt sich unter dem Kreuz, wenn wir beginnen ihn mit Jesus darum zu bitten.
Dann drückt Jesus in den beiden weiteren Sätzen, leidend am Kreuz seine Hoffnung aus und lässt so das Licht des Ostermorgens schon am Kreuz leuchten: Er nimmt den Verbrecher neben sich mit seinen Worten mit ins Paradies: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Und schließlich vertraut er sich selbst mitten in dieser Dunkelheit seinem Gott an: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“
Unser Geist in Gottes Händen, unsere Zukunft im Paradies und unser Friede in der Bitte um Vergebung. Da steckt in dieser Karfreitagsgeschichte unser ganzer Glaube, unsere Hoffnung und unsere Liebe und da scheint das Osterlicht auf.
Ich grüße Sie herzlich zum Osterfest 2022
Ihr
Pfarrer Matthias Welsch