2023/01

„Sehen und gesehen werden.“ Mit dieser Redewendung wird gerne die Bedeutung des gesellschaftlichen Lebens bezeichnet. Da geht es darum, dass man andere bedeutungsvolle Menschen trifft, mit ihnen netzwerkt und dass man selbst als Teil der Gesellschaft wahrgenommen und gesehen wird. Solches „sehen und gesehen werden“ findet mittlerweile auch in den sozialen Medien statt, wo viele Menschen sich unglaublich anstrengen, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Das führt nicht immer dazu, dass sie wirklich gesehen werden und dass sie auch so respektiert werden wie sie sind.
Die Jahreslosung spricht von einem anderen gesehen werden. Sie spricht von einem Gott, der die sieht, die in unserer Gesellschaft keiner sehen will. Gott sieht die, die nicht dazu gehören; die nicht mitspielen können im großen Spiel der Gesellschaft. Er sieht die, die sich aus Scham oder körperlicher Schwäche in ihren vier Wänden verkriechen. Er sieht die, denen das Geld gerade so zum Leben reicht oder die darum betteln müssen. Er sieht die, die wegen einer Krankheit nicht teilhaben können. Er sieht die, die nicht aufgenommen werden in der Gesellschaft, weil sie von woanders herkommen.
Man müsste vielleicht sagen: ER sieht gerade die.
Diejenige, die dieses Bekenntnis zu Gott im ersten Buch der Bibel ausspricht, weiß, von was sie redet. Es ist Hagar, die Magd von Abraham, die dieser geschwängert hatte, weil seine Frau Sarah kein Kind bekommen konnte und die daraufhin ge­flohen ist. Du bist ein Gott, der mich sieht, selbst in dieser Situation. Sie bekommt Mut weiterzumachen, weil sie sich von Gott angesehen fühlt.
Diakonie bedeutet, dass wir uns von Gottes Blick leiten lassen und neu aufein­ander sehen lernen, damit auch wir gerade diese Menschen sehen und in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen, dass wir sie sehen, dass wir sie respektieren, dass wir ihnen zu Ansehen verhelfen. Sie sind von Gott geliebte Menschen, so wie wir selbst. Und deshalb ist dieses Sehen Gottes ein Sehen mit dem Herzen, etwa so wie es Antoine de St. Exupery den kleinen Prinzen sagen lässt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“
Gott hilft uns mit seinem Blick zu sehen und den Menschen zu Ansehen zu verhelfen, die es alle verdient haben.
Jedem von uns wünsche ich für das kommende Jahr, dass Sie sich von Gott angesehen fühlen können, so gesehen und respektiert, wie sie sind.

Ein segensvolles gutes neues Jahr und viele freundliche Blicke wünsche ich Ihnen.

 

Ihr Pfarrer Matthias Welsch
Vorstand Personal und Diakonie