2023/07

Das kann dieser Jesus doch nicht ernst meinen, das ist irgendwie unverschämt! Wenn wir das mal wörtlich nehmen, dann fällt uns vielleicht zuerst jener Nachbar ein, dessen Hund Tag und Nacht kläfft. Oder …, na Sie wissen schon, wen ich meine. Die, den Lieben? Für die beten? Gehts noch? Und wenn wir mal etwas weiterdenken, obwohl uns da aus Nachbarschaft, Arbeitszusammenhang oder gar Familie einige Leute einfallen. Der Gipfel hieße: Putin lieben! Ich liebe doch keinen Kriegsverbrecher.
So, was machen wir jetzt mit diesem Monatsspruch aus dem Matthäusevangelium? Ich befürchte, Jesus meint das ernst. Und das ist in der Tat das „Unverschämte“ an unserem Glauben. Vielleicht, wenn der Nachbar oder die anderen oder gar der Putin als Kind oder als Erwachsener etwas mehr Liebe abgekriegt hätten, vielleicht wären die dann anders. Vielleicht ist dieses Verhalten, was uns stört oder gar entsetzt, ein Zeichen von Liebesmangel. Und jetzt sollen wir, ausgerechnet wir, diesen Mangel ausgleichen. Toll, wirklich. Da fällt uns ein: werden wir denn überhaupt genug geliebt? Betet für uns mal jemand? Dabei sind wir doch gar nicht so wie der Nachbar, oder die anderen, oder der Putin!
Fakt ist, durch Streit, Auseinandersetzungen oder gar Krieg im Großen oder Kleinen, hat sich noch nie etwas zum Positiven verändert. Noch nie war danach etwas besser als vorher. Immer nur Frust, Ärger, Hass, Verachtung, Blut und Tränen. Dagegen steht das Programm von Jesus: Eben nicht Zahn um Zahn und Auge um Auge, wie es die Menschen in ihrer Vergeltungsmeinung immer getan haben. Wir sollen den Teufelskreis durchbrechen. Und das sollen wir nicht mit den Waffen der Teufel machen, sondern eben anders. Wie? Lieben! So richtig leicht gefällt uns die Einsicht nicht. Ja, wer auf „Teufel komm raus“ in der alten Weise Vergeltung übt, der muss sich nicht wundern, wenn der wirklich rauskommt. Und wenn der Teufel los ist, dann versagen alles Menschliche und Vernünftige. Es ist nur leider traurig, dass da die Macht eine große Rolle spielt. Was kann ich gegen einen Stinkstiefel als Vorgesetzte:n machen. Was kann man gegen Kriegsverbrecher machen, die Atom­bomben haben und diese teuflisch kalt mit in die Diskussion werfen? Es ist ja so, manche Menschen kann man nicht verändern, die kann man nur liebhaben – und dann mit der Hoffnung leben, dass unsere Liebe etwas bei ihnen bewirkt.
Warum immer wir? Warum sollen immer wir anders sein? Das sagt Jesus dazu: damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet! Wir gehören zu der Familie Gottes. Wir sind die Familie, die anders sein will und soll. Wenn nicht wir den Teufelskreis des Bösen ansägen, wer denn dann? Wenn nicht wir schon mal gegenseitig, untereinander versuchen, anders zu sein, wer denn dann? Das Schwere ist nur: wir dürfen keine Gegenliebe erwarten. Von heut auf morgen geht da nichts. Es wäre schon gut, wenn die Teufelskreise der Welt ausradiert werden könnten. Dann würden der Nachbar, oder die Mitarbeiterin, oder vielleicht sogar Putin merken: Das ist ja viel besser! Das ist ja himmlisch! Na ja, das meint Jesus aber auch.

Herzliche Grüße
Matthias Fiedler